Die Sitzung des Neuromuskulären Zentrums Bayerns Mitte fand am 4. Dezember 2019 im Translational Research Center auf dem Klinikgelände Schwabachanlage 6 in Erlangen statt.
Der Sprecher des Neuromuskulären Zentrums, Herr Dr. Matthias Türk, begrüßte die Teilnehmer und begann mit einem Bericht über das NMZ Erlangen. Er wies auf die Wichtigkeit der Transition von Jugendlichen in die Erwachsenenmedizin hin und betonte die gute Zusammenarbeit mit beispielsweise der Orthopädischen Universitätsklinik Waldkrankenhaus, der Fachklinik Herzogenaurach oder der Neurologischen Klinik Rummelsberg.
Herr Dr. Türk stellte Neuigkeiten in der Gentherapie vor. Wir werden Sie über deren Einsatz in unseren nächsten Berichten auf dem Laufenden halten.
Es folgte ein Vortrag von PD Dr. med. Martin Winterholler – Chefarzt der Neurologischen Klinik Laurentiushaus in Rummelsberg – zum Thema
„Aktuelles zur Diagnose und Therapie der Atemmuskelschwäche“
Mitte der Neunziger Jahre äußerte sich die Hälfte der Neurologen, die an deutschen Universitäten lehrten, im Rahmen einer Umfrage noch skeptisch bis ablehnend zur Beatmung bei Muskelerkrankungen. Dieses Bild hat sich mittlerweile komplett gewandelt. Heute gehört die Beurteilung der Atemmuskulatur in jede Muskelsprechstunde. Die Beatmung ist heute eine der anerkannten Behandlungsmöglichkeiten, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität führen kann.
Bei den meisten Muskelkranken ist die Lunge völlig gesund, aber das Atemvolumen ist eingeschränkt. Hierdurch entwickelt sich Atemnot initial vor allem im Liegen in der Nacht. Die Maskenbeatmung wird auch als nichtinvasive Beatmung bezeichnet. Reicht diese Möglichkeit nicht aus, kann ein Luftröhrenschnitt (Tracheostoma) zur invasiven Beatmung notwendig werden. Wenn das Zwerchfell betroffen ist und aufgrund einer Atemmuskelschwäche die Kohlendioxydkonzentration (CO2) im Blut zu hoch ist, kann Beatmung neben einer Lebensverlängerung auch zu einer Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Daher ist die CO2-Messung bei der Beatmungskontrolle so wichtig.
Die Beatmungskontrollen erfolgen derzeit im Schlaflabor stationär. In nächster Zeit werden Geräte auf den Markt kommen, die eine ambulante Untersuchung ermöglichen.
Bei ALS (Amyotropher Lateralsklerose) mit bulbärem Verlauf (d.h., Schlund-, Schluck-, und Zungenmuskulatur sind betroffen), sollte eine Maskenbeatmung, falls gewünscht, möglichst früh begonnen werden. Studien haben gezeigt, dass sowohl Lebenszeit als auch Lebensqualität dadurch verbessert werden können. Die Entscheidung für oder gegen eine invasive Beatmung über ein Tracheostoma bei ALS sollte bewusst überlegt und getroffen werden und hängt sehr von individuellen Faktoren ab.
Am Ende des Vortrags konnten Fragen gestellt werden. So wurde die Frage, wie Druckstellen an der Nasenwurzel oder im Gesicht durch das stramme Aufsetzen der Beatmungsmaske vermieden werden können, wie folgt beantwortet: Es gibt spezielle Pflaster hierfür und auch ein kleines Stück Fensterleder kann Abhilfe schaffen. Eine Frage bezog sich auf Schwierigkeiten von muskelkranken Menschen beim Abhusten; hier wurde auf Techniken zur Hustenverbesserung und auf Cough-Assist-Geräte (Geräte, die das Abhusten unterstützen) hingewiesen.
Bei Myasthenie ist eine Beatmung in der Regel nur bei myasthener Krise notwendig. Durch entsprechende (medikamentöse) Therapien ist eine längerfristige Beatmung meist vermeidbar.
Im Anschluss an den Vortrag entwickelte sich eine Diskussion über Folgen und Auswirkungen der neuen Gentherapien, die seit kurzer Zeit auf dem Markt sind und welchen, die in naher Zukunft zur Verfügung stehen werden. Die Teilnehmer der Veranstaltung waren sich einig, dass symptomatische Therapien, zu denen auch die Beatmung zählt, weiterhin sehr wichtig sein werden. Über den Einsatz von Spinraza bei erwachsenen Patienten werden wir berichten.
Es war eine schöne und informative Sitzung, allen Beteiligten vielen Dank – Susanne Werkmeister & Sabine Kühnicke-Dippold –
vlnr: Prof Dr. Bernhard Neundörfer, PD Dr. Martin Winterholler, Susanne Werkmeister, Ina Watzek, Markus Dippold, Sabine Berger, Dr. Matthias Türk, PD Dr. Regina Trollmann
vlnr: Sabine Berger, Susanne Werkmeister, Markus Dippold, Ina Watzek, Sabine Kühnicke-Dippold